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Ende eines Flughafens Teil 3

Ende eines Flughafens Teil 3

Ich fahre zum Flughafen, filme, wie ich durch die Unterführung mit der schon etwas ausgeblichenen Werbung von Easyjet, hindurchfahre. Mein Gegenüber von der Anhöhe am Autobahnzubringer hat mir erklärt, dass der Turm erst kürzlich für eine riesige Menge Geld saniert wurde. „Das muss man sich mal vorstellen“, hatte er gesagt und den Arm weit ausgestreckt über die Autobahn in Richtung Flughafen. Die Parkplatzschranke steht nach oben. Da, wo man früher aufpasste, nicht zu lange zu parken, weil die Gebühr hoch war, kann man jetzt einfach stehen.

Vor Terminal C ist nichts mehr los. Auch im Hauptgebäude ist es ruhig. Die meisten Geschäfte sind schon leergeräumt. Ein paar einzelne Gestalten fotografieren die letzten Züge eines Flughafens. Ich steige die Treppe, um einen Blick auf die Besucherterrasse zu werfen. Mitarbeiter und Flugpersonal fotografieren sich dort gegenseitig. Auf den Stufen sitzt ein Mann im Karo-Hemd und einem Basecap in leuchtendem Orange auf dem Kopf.

Vor ihm steht der Rucksack, aus dem die Kamera mit dem großen Teleobjektiv ragt. Er durchsucht im Telefon die Internetseite vom Flughafen. Ein anderer kommt hinzu. Der holt ein kleines Notizbüchlein hervor, in dem die beschriebenen Seiten bereits abgegriffen lose liegen. Er durchblättert sie und findet, was er gesucht hat.“

 „Da biste ja“, sagt der Mann im Karo-Hemd. „Ach kiek mal. Da ist die … “ Er zeigt mit dem Finger auf die Propellermaschine am Himmel.  „Ja.“, sagt der Karierte nüchtern und tippt weiter auf das Telefon. „Das ist so eine Scheiße hier mit der Seite“, schimpft er. Lufthansa startet. Der mit dem Büchlein holt eine analoge Spiegelreflexkamera mit langem dünnen Objektiv hervor, der Andere die digitale Variante. Beide konzentrieren sich. Dann greift sich der Karierte wieder das Smartphone. „Weißt du, was der Gipfel der Frechheit ist? Am Samstag haben se die Flughafen-App umjestellt. Tegel ist eliminiert. Alle Flüge werden nicht mehr anjezeigt. Du kannst nicht mehr die Flüge sehen. Jeht nicht mehr. Frankfurt, München, Düsseldorf – alle sind von der Flughafen-App verschwunden.“

„Aber kannst du nicht im Internet gucken? Sind die da nicht?“ „Weiß ick nich. Ick hab immer die App benutzt. Ick hab mal im Internet jeguckt. Dit musstest de immer aktualisieren. Die App war immer auf die Minute jenau aktuell und auch auf fünf Minuten jenau aktuell. – Scheiße.“

Eine Frau sieht auf die Besucherterrasse. „Mensch, ist doch noch so viel Platz. Warum kommen wir da nicht rauf. Ick versteh dit nicht.“

„Wann kommt der nächste?“, frage ich den Mann mit dem Büchlein. Er sieht mich erstarrt an. „Ich dachte, ihr kennt euch gut aus. Seid ihr öfter hier?“, rudere ich. Er guckt, nickt und schweigt. Der Karierte dreht sich kurz um. Was hab ich gemacht? Eingegriffen in ein anderes Universum?

Ich beschließe mich schnell zu entfernen und eine geheime Tür zu öffnen. „Schlafkabinen“ steht da. Das interessiert mich. Hab ich noch nie gehört. Darüber hätte ich gern geschrieben.  Geschichten tauchen in meinem Kopf auf. So steh ich im Vorraum, während ein paar Männer riesige Aufsteller schieben, und ziehen. Da taucht hinter mir der Mann mit dem Büchlein auf. Er ist aus seinem Universum ausgestiegen und zu mir gekommen. „Geh mal auf die Damentoilette! Die musst du dir mal angucken. Da ist alles noch Original. Die Waschbecken. Geh mal hin!“ Er lächelt. Ich verstehe, er hört schlecht. Weg ist er. Als ich rauskomme, tut er wieder so, als hätte er mich nicht gesehen.

„Bin jetzt da“, schreibe ich an meine Geschichte.

Ich schicke ein Bild von der Aussicht.

„Wo genau? Wenn du ins Erdgeschoss kommst, komm ich da hin.“

Da steht er, mit der Maske vor dem Gesicht. „Da bist du ja. Schön dich zu sehen.“

Ein Mitarbeiter kommt. „Wollen wir rauchen? Du bist doch die, die Theater spielt“, sagt er.

„Woher weißt du das?“, frage ich.

„Oh, hätte ich das nicht sagen sollen?“

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© 2020 Katja Schrader

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